Eine viel beschäftigte Mutter

Liebe Irina,

vielen Dank für Deinen Brief. Entschuldige, dass ich nicht gleich geantwortet habe. Als Hausfrau und Mutter habe ich immer viel zu tun. Wie viele Mütter besuche ich verschiedene Kurse, z.B. über Babymassage, Babygymnastik, Babyschwimmen, aber auch Spielkreise und Krabbelgruppen. Ich finde es toll, dass man dort andere Muttis[1] mit gleichaltrigen Kindern kennen lernen und Erfahrungen austauschen kann. Die junge Mutter ist in Deutschland mit ihren Problemen nicht alleine gelassen. Sie kann immer Antwort auf Fragen bekommen, und auch professionelle Hilfe vom Arzt, ihrer Hebamme oder in einer Stillgruppe[2].

Elternzeit

Nach der Geburt des Kindes können die Eltern frei entscheiden, wer von ihnen in den Erziehungsurlaub geht, damit ein Elternteil immer für das Kind da sein kann. Jetzt heißt es Elternzeit, weil das Wort „Erziehung“ nicht mehr modern ist. Wenn die Frau mehr verdient, bleibt in manchen Familien der Vater mit dem Kind zu Hause. Der Vater und die Mutter können sich auch mit diesem „Urlaub“ abwechseln. So können die Eltern ihr Kind 36 Monate lang betreuen. Während der Elternzeit bleibt der Arbeitsplatz erhalten.

Nach der langen Babypause fällt der Frau der Einstieg in den Beruf oft sehr schwer. Wenn sie will, kann sie auch während der Elternzeit in so genannter „Teilzeit“ weiterarbeiten, damit sie erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten nicht vergisst.

Die Frage der Betreuung

Wenn die Eltern wieder berufstätig sind, entsteht natürlich die Frage nach der Betreuung des Kindes. Nicht jeder kann Oma und Opa damit beschäftigen. So kann man eine Kinderfrau nach Hause kommen lassen oder das Kind zu einer Tagesmutter bringen und am Abend wieder abholen. Wenn man nur für wenige Stunden am Tag abwesend ist, kann ein junges Mädchen als Babysitter auf das Kind aufpassen. Manche Eltern entscheiden sich auch für ein Au-pair-Mädchen aus dem Ausland.

Die Suche nach dem Kindergarten

Wenn Claudia älter wird, werden wir uns Gedanken über den Kindergarten machen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: ein ganz normaler städtischer oder ein kirchlicher Kindergarten[3], wo den Kindern christliche Werte vermittelt werden. In einem Montessori[4]-Kindergarten zählt das Motto: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Spezielle Materialien wie etwa Bildkärtchen sollen spielerisches Lernen von Kindern fördern. In einem Waldkindergarten sind die Kinder immer im Freien – egal, ob es regnet oder schneit. Sie beobachten Tiere und Pflanzen und bewegen sich viel. Ein Integrations-Kindergarten ist für normale gesunde und zugleich für behinderte Kinder oder Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf da. Außerdem werden dort spezielle Therapien[5] zur Förderung der Kinder angeboten.

Ein kinderunfreundliches Land

Leider muss Deutschland als ein kinderunfreundliches Land bezeichnet werden. Leute ohne Kinder ärgern sich oft, wenn Kinder weinen oder spielen. Sie wollen lieber ihre Ruhe und haben wenig Verständnis für Kinder. Ich finde es auch schade, dass die meisten Frauen spät heiraten und das erste Kind erst mit 30 Jahren oder später zur Welt bringen. Für viele ist es wichtig, sich im Beruf erst selbst zu verwirklichen[6]. Darum werden zu wenige Kinder geboren.

Heute ist so ein schöner Spätsommertag. Deshalb werde ich jetzt noch mit Claudia auf einen öffentlichen Kinderspielplatz bei uns in der Nähe gehen. Weißt Du, sie schaukelt[7] doch so gerne und liebt es, im Sandkasten zu spielen!

Viele liebe Grüße und alles Gute!

Deine Elena

 

[1] die Mutti: (gespr.) verwendet als liebevolle Bezeichnung oder Anrede für die Mutter – Mama, Mami
[2] stillen: als Mutter ein Baby an der Brust Milch trinken lassen
[3] meist katholisch oder evangelisch
[4] Nach Maria Montessori, einer italienischen Ärztin und Pädagogin (1870-1952)
[5] die Therapie: Maßnahme, die angewendet wird um eine Krankheit zu heilen
[6] sich (selbst) verwirklichen: alle seine Fähigkeiten entwickeln und zeigen können – sich entfalten
[7] schaukeln: (auf einer Schaukel) hin- und herschwingen