Meine ersten Wochen in Deutschland

So viel hatte ich über Deutschland studiert, gelesen, gehört, geträumt… Nun endlich bin ich in diesem Land, und nach einigen Wochen des Kulturschocks beginne ich langsam, mich in die deutsche Kultur zu integrieren.

Ich erwartete gar nicht, dass mein Aufenthalt in Deutschland so spannend und aufregend wird. Alles ist anders und unterscheidet sich sehr von meinem Heimatland, der Ukraine.

Überall nur Deutsch

Am Anfang war es für mich besonders schwer, überall nur die deutsche Sprache zu hören. Es ist eine Sache, wenn man einige Stunden an der Uni Deutsch spricht, und etwas ganz anderes, wenn man rund um die Uhr[1] nur Deutsch sprechen muss. Und erst hier -merkte ich, dass ich gar kein „richtiges Deutsch“ spreche. Ich sage einfach meine russischen Gedanken mit deutschen Wörtern, was aber nicht besonders gut klingt. Ich verstand, dass man auf Deutsch denken muss, damit man wirklich gut spricht. Jeden Tag entdecke ich für mich neue Wörter, die im Russischen fehlen. Z.B. gibt es in der russischen Sprache etwa fünf Wörter, die eine Verpackung bezeichnen, in Deutsch dagegen etwa 20 Wörter.

Die Deutschen sind sehr freundliche und hilfsbereite Menschen. Sie können hundertmal pro Tag „Bitte schön“ und „Danke schön“ sagen. Wenn ich etwas im Geschäft einkaufe, wünscht mir die Verkäuferin oder der Verkäufer einen schönen Tag. Auch achten die Deutschen sehr auf Ordnung. Alles soll, wenn möglich, sauber, gründlich und schön sein. Immer wieder fasziniert mich der Rasen vor jedem Haus, die kreativ[2] geschmückten Fenster und Türen. Die deutsche Pünktlichkeit entspricht dagegen nicht immer der Wahrheit. Auch die Deutschen können sich verspäten!

Leben mit Geschichte

Die Deutschen pflegen auch ihre Geschichte. Es gibt zahlreiche Burgen und Schlösser. Sehr viele Städte haben sehr alte und schöne Stadtkerne[3]. Geschichte ist in Deutschland sehr lebendig. Viele Gebäude, Kirchen und Dome sind mehrere Jahrhunderte alt. In Nürnberg wohnte ich z.B. in der Jugendherberge[4], die in der Kaiserburg aus dem 14. Jahrhundert untergebracht ist! Das war sehr spannend. Manchmal fühle ich mich in alten Städten in die Vergangenheit zurückversetzt: In diesem Haus wurde W.C. Röntgen geboren, in jenem Heinrich Heine, und in einem anderen arbeitete Albrecht Dürer an seinen Bildern. In Westdeutschland findet man auch viele Architekturdenkmäler der alten Römer. Für die Deutschen ist das moderne Leben mit dieser Geschichtsvielfalt ganz normal.

Besonders gefallen mir die deutschen Museen. Ich dachte nie, dass ich mich in einem Museum verlaufen könnte, aber in Deutschland ist das möglich. So hatte das Deutsche Nationalmuseum in Nürnberg so viele Ausstellungen, dass ich in fünf Stunden nur die Hälfte sehen konnte, obwohl ich ganz schnell ging. In einigen Museen bekommt man an der Pforte[5] Kopfhörer, und wenn man in einen neuen Raum kommt, beginnt eine persönliche Führung. In naturwissenschaftlichen Museen kann man verschiedene Experimenten machen oder im Deutschen Bergbau[6]-Museum in Bochum kann man es sich in einem Tunnel unter der Erde selbst ansehen, wie verschiedene Maschinen funktionieren. In einigen Museen gibt es auch ein Jahresticket[7], denn sie sind so groß und interessant, dass man öfter wiederkommen muss.

Dezember ist Adventzeit, und ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie schön Deutschland dann ist. Viele Weihnachtsmärkte mit Süßigkeiten und Glühwein[8] und tausende von Weihnachtsgeschenken und Waren in den Geschäften. Das muss man einfach selbst sehen. Besonders interessant fand ich die Weihnachtsmärkte in Nürnberg (mit den berühmten Lebkuchen[9]) und in Köln neben dem Dom. Schon oft habe ich den Kölner Dom auf Bildern gesehen, aber in der Wirklichkeit ist er viel größer!

Denis Kabakov

 

[1] rund um die Uhr: während des ganzen Tages und der ganzen Nacht
[2] kreativ: mit neuen und originellen Ideen (die auch realisiert werden) – schöpferisch
[3] der Stadtkern: innerer, zentral gelegener Teil einer Stadt
[4] die Jugendherberge: eine Art einfaches Hotel, in dem besonders Jugendliche billig übernachten kön
[5] die Pforte: (hier) ein Eingang zu einem Gebäude, der von jemandem (dem Pförtner) bewacht wird
[6] der Bergbau: das Suchen, Gewinnen und Fördern besonders von Kohle, Salz und Metallen
[7] das Ticket: (hier) Eintrittskarte
[8] der Glühwein: ein heißes Getränk aus Rotwein, Zucker und Gewürzen
[9] der Lebkuchen: in Gebäck in runder oder viereckiger Form, das süß und würzig schmeckt und besonders zu Weihnachten gegessen wird – Pfefferkuchen