Das Jahr 2007 und seine Folgen ****

Das Jahr 2007 liegt hinter uns. Zeit, Rückschau zu halten und die wichtigsten Ereignisse Revue passieren[1] zu lassen.

Das Jahr begann sehr stürmisch. Das Orkantief „Kyrill“ wütete über Deutschland und Europa. Elf Menschen kamen dadurch in Deutschland ums Leben, in ganz Europa 45. Am Ende war der Schaden groß: Mindestens 8 Mrd. Euro Sachschaden, vor allem an Gebäuden und Wäldern, richtete der Sturm allein in Deutschland an.

Das Thema „Klima“ blieb auf der Tagesordnung. Der UN-Expertenrat stellte den zweiten Teil des Weltklimaberichts vor. Die Kernaussage: Selbst mit einer deutlichen klimapolitischen Wende ließe sich der gravierende Klimawandel allenfalls abmildern. Der Klimarat rechnet mit Toten, Verletzten und Kranken durch Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Waldbrände und Dürren.

Wenn es um die Natur geht, sind die Deutschen bekanntlich besonders sensibel. Und da wir das Land der „Mülltrenner[2]“ sind, dachten und denken wir besonders intensiv über Klimaprobleme nach. So wie wir einst das „Waldsterben“ erfunden haben, wollen wir nun die Klima-Musterschüler werden. Kein Wunder also, dass die Gesellschaft für Deutsche Sprache „Klimakatastrophe“ zum Wort des Jahres 2007 gekürt hat. Eine gute Wahl? Mit der Bezeichnung „Katastrophe“ gehen wir in vielen Bereichen sehr großzügig um. Und das Klima ist vielen Menschen ein besonderes Anliegen. Viele Begriffe belegen dies: Klimaanlage, Klimawandel, Klimakiller, Klimaabgabe, Klimagipfel… Das aus dem Griechischen stammende Wort „Klima“ breitet sich in der deutschen Sprache seit einiger Zeit so schnell aus wie das „Ozonloch“. Nur nutzt sich dieser Begriff durch unmäßigen Gebrauch ziemlich ab, bis ihn keiner mehr hören kann, geschweige denn ihn ernst nimmt!

Etwas Positives gab es vom Sport zu berichten. Mit einem 29:24-Finalsieg gegen Polen wurde Deutschland Handball-Weltmeister! Und im September wurde die deutsche Frauenmannschaft in China Fußball-Weltmeister!

Auch für den deutschen Film gab es Hohe Ehren: Florian Henckel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen“ gewann den Auslands-Oscar. Es war die letzte große Rolle des Hauptdarstellers Ulrich Mühe, der im Juli starb.

Das Winterwetter passte sich der aktuellen Diskussion um die globale Erwärmung an. Schnee blieb Mangelware – selbst in den Alpen. Wegen zahlreicher frostfreier Nächte hatten Skigebiete zeitweise Probleme, ihre Pisten mit Kunstschnee zu präparieren. Die Bilanz des Deutschen Wetterdienstes war eindeutig: Nie zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1901 war der Winter in Deutschland milder als 2007.

Potsdamer Forscher maßen einen neuen Wärmerekord für Deutschland. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten war es noch nie so warm wie zwischen Juni 2006 und Mai 2007. Die Durchschnittstemperatur lag mit elf Grad drei Grad über dem langjährigen Mittel.

Der Bundestag verabschiedete trotz heftiger Proteste von Gewerkschaften und Sozialverbänden die „Rente mit 67“. Von 2012 an wird das Rentenalter bis 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Das höhere Rentenalter soll die Belastung der Sozialsysteme durch den demographischen Wandel[3] verringern und finanziellen Druck von der jüngeren Generation nehmen.

Die Lage der deutschen Wirtschaft hat sich trotz des hohen Ölpreises, dem hohen Eurokurs und der Finanzkrise in den USA im Januar 2007 überraschend verbessert. Gleichzeitig stieg die Teuerungsrate bundesweit um drei Prozent. Dies war die höchste Jahres-Teuerungsrate seit Dezember 1994. In den letzten Monaten des Jahres 2007 rissen Preissteigerungen Löcher in die Haushaltskassen der Bundesbürger. Für Heizöl mussten sie bis zu 26 Prozent mehr zahlen als vor einem Jahr. Das Tanken verteuerte sich um ein Fünftel. Auch für viele Nahrungsmittel mussten die Verbraucher deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr. Z.B. verteuerte sich die Milch um 20-27 Prozent, Butter wurde fast um die Hälfte teurer. Die Wirtschaftsforscher kamen zu der Einschätzung, dass sich die Konjunktur auf hohem Niveau allmählich wieder abkühlt. Trotzdem ist die Stimmung in den deutschen Firmen gut, die meisten Unternehmer sind von einem anhaltenden Aufschwung überzeugt, teilte das Institut für Wirtschaftsforschung nach einer Befragung von 2000 Firmen mit.

Die Arbeitslosigkeit sank auf 8,1 Prozent, und viele Betriebe suchen nach hochqualifizierten Fachkräften.

Der Tod eines Berliner Jugendlichen, der nach angeblich 50 Gläsern Tequila[4] ins Koma gefallen war, löste eine öffentliche Diskussion über den Alkoholkonsum unter Jugendlichen aus. Sogenanntes Kampftrinken, Komasaufen[5] und Flatrate-Partys, auf denen zu einem Festpreis unbegrenzt getrunken werden kann, sind unter jungen Leuten beliebt. Die Gesellschaft rätselt über die Ursachen des starken Alkoholkonsums. Länder und Kommunen verbieten inzwischen die Veranstaltung von Flatrate-Partys. Das Problem an sich bleibt aber vorerst ungelöst.

Das deutsche Bildungssystem fiel im OECD-Bericht im internationalen Vergleich weiter zurück. Während andere Staaten die Zahl ihrer Studenten um 41 Prozent steigern konnten, legte Deutschland nur um fünf Prozent zu. Damit rutschte Deutschland vom 10. auf den 22. Rang. Der Bericht kritisiert die geringe Abiturienten- und Akademikerzahl.

Es gab auch positive Nachrichten: Die Nobelpreise für Physik und Chemie gingen jeweils an deutsche Wissenschaftler, und nach den neuesten Ergebnissen der PISA-Studie haben sich die Leistungen der deutschen Schüler vor allem in den Naturwissenschaften verbessert. Die deutschen Schüler liegen mit ihren Kenntnissen jetzt im oberen Drittel der internationalen Wertung.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2008

 

[1] etw. Revue passieren lassen: etwas in seinem Ablauf in Gedanken oder Worten noch einmal an sich vorbeiziehen lassen
[2] die Mülltrennung: das Sortieren von Müll nach bestimmten Stoffen (z.B. Glas, Plastik), um so diese Stoffe wieder neu verwerten zu können
[3] Der Demographische Wandel beschreibt die derzeitige Unterschreitung der Sterberate durch die Geburtenrate seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
[4] ein mexikanischer Branntwein
[5] So lange trinken, bis man ohne Bewusstsein ist.