Mehr Urlaub als Arbeit? ***

Manche Menschen sagen, die Studenten in Deutschland hätten mehr Urlaub als Arbeit. Und das scheint auch wirklich wahr zu sein: Denn die Lehrveranstaltungen an der Uni finden nur in der „Vorlesungszeit“ statt, und die dauert nur rund 14 Wochen pro Semester. Bei zwei Semestern im Jahr macht das knapp 30 Wochen Unterricht. Zieht man nun noch die Wochenenden ab und die zusätzlichen Feiertage wie von Weihnachten bis Sylvester, um Ostern, Pfingsten und all die anderen freien Tage kann man es tatsächlich beweisen: Deutsche Studenten sind nicht einmal die Hälfte des Jahres in der Universität!

Ein langes Wochenende

Zu all dem kommt noch hinzu, dass jeder Student aus vielen Alternativen wählen kann, welche Vorlesungen und Seminare er besuchen möchte. Viele meiner Kommilitonen schaffen es, sich einen Stundenplan so zusammen zu stellen, dass es ein extra-langes Wochenende gibt. Sie halten sich Freitag oder Montag oder sogar beide Tage frei und haben Lehrveranstaltungen nur am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Ja, in meiner Uni in Passau ist es wirklich üblich, dass man sich in der Mensa oder auf dem Campus schon am Donnerstag verabschiedet mit den Worten „Schönes Wochenende!“. Einige machen das sogar schon am Mittwoch.

Viel Arbeit zu Hause

Aber das ist ja alles nur die eine Seite des Ganzen. Denn die eigentliche Arbeit der meisten Studenten geschieht zu Hause oder in der Bibliothek, wenn jeder alleine lernt. Die Professoren reden 90 Minuten extrem verkürzt und extrem schnell und es braucht noch viel Arbeit hinterher, um zu verstehen, worum es ging. So kann es passieren, dass sogar ein Student, der nur 16 Stunden pro Woche an Lehrveranstaltungen teilnimmt, bis über den Kopf in Arbeit steckt und gar nicht vom Lernen wegkommt. Und das, obwohl eine Stunde nur 45 Minuten dauert, 16 Stunden an der Universität also eigentlich nur 12 richtige Zeitstunden sind.

Prüfungen und Hausarbeiten

Und auch mit der „Vorlesungsfreien Zeit“, also den Semesterferien, die fast fünf Monate in jedem Jahr ausmachen, ist es nicht viel anders. In dieser Zeit finden die Prüfungen statt, und das bedeutet für jeden Studenten, dass er den Endspurt beim Lernen vor sich hat: Morgens aufstehen, frühstücken, lernen, Mittagessen, lernen, Abendessen, lernen, schlafen. Zumindest die letzten Tage vor den Prüfungen sehen meistens so aus. Viele Studenten haben in dieser Zeit auch Berufspraktika

Außerdem werden in den Semesterferien die Hausarbeiten geschrieben. Viele Professoren erwarten nicht nur, dass man die Vorlesungen besucht und danach eine Prüfungsklausur zum Thema schreibt, sondern dass man auch eine schriftliche Arbeit über einen spezialisierten Bereich aus dem Vorlesungsthema verfasst. Es hängt von den Anforderungen des Professors ab, wie viel Zeit man für eine solche Hausarbeit braucht. Vier Wochen angestrengte Arbeit für eine Hausarbeit von 20 – 30 Seiten sind nichts Außergewöhnliches. Erst danach gibt es eine Bestätigung für die Teilnahme an der Vorlesung.

Studienreisen in alle Welt

Bei mir an der Uni in Passau fahren aber auch sehr viele Studenten in andere Länder während der Semesterferien. Aber auch das ist nicht nur Urlaub, denn die Uni Passau hat viele Studenten, die fremde Sprachen lernen oder verschiedene Kulturen der Welt studieren. Deswegen hängen an den Wänden unserer Universität hunderte Werbeplakate von Reiseveranstaltern, die Sprachkurse in aller Welt anbieten. „Chinesisch in Peking“, „Russisch in Moskau“, „Arabisch in Beirut“ oder „Polnisch in Warschau“ heißen dann die Reisen und die sind also nicht nur Urlaub, sondern immer auch hartes Lernen.

Ich zum Beispiel habe genau so eine „Studienreise“ in den letzten Ferien gemacht, obwohl ich vier Hausarbeiten hätte schreiben müssen. Nun muss ich in den nächsten sechs Wochen insgesamt 60 Seiten über vier verschiedene Themen abliefern. Ich habe noch keine Ahnung, ob ich das schaffen werde, aber mit vielen Nachtschichten werde ich hoffentlich das meiste noch erfolgreich schaffen. Ich glaube, ich mache mich jetzt mal lieber schnell an die Arbeit. Bis zum nächsten Mal!

David

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 4/2005