Deutsche Städte

Görlitz – Brückenstadt an der Neiße

Görlitz ist nicht nur die östlichste Stadt Deutschlands, sondern auch die schönste im sächsischen Dreiländereck zwischen Polen, Tschechien und Südost-Sachsen. Die Stadt liegt genau auf dem 15. Grad östlicher Länge am linken Ufer der Neiße, die hier die deutsch-polnische Grenze bildet. [1]

Schon im Mittelalter führten durch Görlitz die bedeutenden Handelswege zwischen Westen und Osten, vom Süden nach dem Norden Europas. So entwickelte sich das 1071 erstmalig urkundlich erwähnte Dorf „villa Goreliz“ im Mittelalter zu einer bedeutenden Stadt und wurde rasch zu einem Zentrum des Salz- und Tuchhandels. Ursprünglich war die Gegend von slawischen Stämmen besiedelt, deren Nachkommen, die Sorben, heute noch in Ostsachsen leben und ihre eigene Sprache und Kultur durch die Jahrhunderte bewahrt haben.

Während der langen Zugehörigkeit der Region zum Königreich Böhmen konnte die Stadt Görlitz ihren Reichtum vermehren. Es entstanden prächtige Bauten im Stil des Barock und der Renaissance. Jedoch wurde die Stadt während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) schwer verwüstet. In den folgenden Jahrhunderten verlor Görlitz nach Angliederung an das Königreich Sachsen seine Bedeutung als wichtiger Handelsplatz. Nach Ende des 2. Weltkrieges hatte die Stadt 1945 ein besonderes Schicksal: Görlitz wurde geteilt in einen polnischen Teil (Zgorzelec) und einen deutschen Teil durch die Bestimmung der Lausitzer Neiße als Grenze zwischen Deutschland und Polen.

Ein Bilderbuch städtebaulicher Kunst.

Zu DDR-Zeiten dem Verfall preisgegeben, wurden die einzigartig schönen Gebäude der Görlitzer Altstadt in den letzten 15 Jahren umfassend saniert[2] und restauriert. Görlitz besitzt noch heute das geschlossene Bild einer typischen deutschen Stadt mit schönen Plätzen und langen Straßenzügen. [3]

Ein Spaziergang durch Görlitz ist ein Gang durch die Jahrhunderte der Architekturgeschichte von der Gotik bis zum Jugendstil. Görlitz hat heute 3500 Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen und strebt die Aufnahme in das Weltkulturerbe der UNESCO an. Zu den schönsten Bauwerken der Stadt gehört die gotische Dreifaltigkeitskirche aus dem 13. Jahrhundert, ursprünglich erbaut als Kirche des Franziskanerklosters. Der schlanke Glockenturm heißt „Mönch“. Seine Uhr geht bis heute stets sieben Minuten nach. Diese Besonderheit stammt aus dem Mittelalter: Man wollte damit erreichen, dass die Stadtwache immer pünktlich ihren Dienst antrat. Neben der Dreifaltigkeitskirche prägen die Silhouetten der barocken Georgskirche und der Kirche St. Peter und Paul das Stadtbild.

Der schönste Teil der Altstadt ist der Untermarkt mit den spätgotischen Tuchhallen aus der wirtschaftlichen Blütezeit der Stadt. Hier befinden sich auf engem Raum liebevoll restaurierte Bürgerhäuser, die der Altstadt ihr einmaliges Gepräge geben. Hinter den historischen Fassaden sind moderne, geräumige Wohnungen entstanden. Leider stehen viele von ihnen leer. Die Arbeitslosigkeit in Görlitz ist besonders hoch. Der wirtschaftliche Aufschwung hat diese Region noch nicht erreicht. Deshalb verlassen viele Menschen, besonders junge, die Stadt. Allein der Tourismus boomt. Jährlich kommen Tausende Touristen aus dem In- und Ausland nach Görlitz, um dieses Kleinod deutscher Städtebaukunst zu bewundern. Man hofft jedoch, dass die Stadt als Mittlerin zwischen West und Ost beim Zusammenwachsen Europas eine wichtige Rolle spielt. Die Europastadt Görlitz-Zgorzelec hat sich als Kulturhauptstadt Europas 2010 beworben.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2006

 

[1] Gemäß dem Potsdamer Abkommen von 1945. Diese Teilung wurde durch das 1950 geschlossene „Görlitzer Abkommen“ bestätigt, und im Jahr 1990 wurde die Oder Neiße Grenze als endgültige Staatsgrenze zwischen Polen und Deutschland anerkannt
[2] sanieren: ein altes Gebäude oder Teile einer Stadt in einen modernen Zustand bringen
[3] Die meisten deutschen Städte ähnlicher Größe haben dies durch Flächensanierung bereits verloren.