Neues Schloss Stuttgart (Bild: Der Weg)

Deutsche Städte

Stuttgart, die schwäbische Hauptstadt

Stuttgart, die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg, ist mit 600.000 Einwohnern die größte Stadt dieses Bundeslandes und die Hauptstadt der Schwaben, dieses sparsamen und arbeitsamen Volkes, das sich mit „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ [1] eine bleibende Identität unter den Volksgruppen Deutschlands erworben hat.

Ein Schwabe zum anderen: „I muaß mir an neia Kamm kaufa, beim alda isch an Zagga rausbrocha.“ – „Mensch, den kasch doch no hernemma.“ – „Noi, des war dr ledschde.“ [2]

Lage und Klima

Stuttgart liegt in einem Talkessel am nordöstlichen Rand des Schwarzwalds.

Der Nesenbach mit seinen Zuflüssen bildet hier ein breiteres Tal, das von hohen Hängen auf allen Seiten umgeben ist. Heute ist die Stadt so weit gewachsen, dass der Neckar, in den der Nesenbach mündet, inzwischen durch das Stadtgebiet fließt. Fast 350 m Höhenunterschied gibt es in der Stadt, wobei der Birkenkopf mit 511 m die höchste Erhebung bildet.

Da Stuttgart von Hügeln umgeben ist, ist die Luft an heißen Tagen oft stickig. Hierzu trägt auch der ständig zunehmende Straßenverkehr bei. Einige Hänge dürfen nicht bebaut werden, um über sie einen Luftaustausch zu ermöglichen. Besonders im Sommer kann es vorkommen, dass sich eine kalte Luftschicht über die warme in der Stadt schiebt – eine sogenannte Inversionswetterlage – und den Luftaustausch völlig verhindert. 40° C in den Mittagsstunden sind dann keine Seltenheit. Ein Vorteil hat diese Lage allerdings, an den Hängen ist Weinbau möglich.

Stuttgart gehört zu den niederschlagsarmen Gebieten Deutschlands, weil sich die Wolken an der Schwäbischen Alb im Süden und dem Schwarzwald im Südwesten schon abregnen.

Wofür steht „Stuttgart“?

Die einen sagen VfB[3] und Fußballweltmeisterschaft 2006, die anderen denken an Autos. Denn Daimler, Benz, Maybach und Porsche entwickelten hier die ersten motorisierten Motorkutschen, deren Nachfolger heute in aller Welt begehrt sind.

Stiftskirche (Bild: Der Weg)

Doch wer weiß schon, dass dort täglich 22 Millionen Liter Mineralwasser sprudeln. Nach Budapest hat Stuttgart das das größte Mineralwasseraufkommen Europas! Über 250 Brunnen im Stadtgebiet zeugen von diesem Reichtum.

An den Hängen Stuttgarts wächst ein köstlicher Wein, der bis ins 19. Jahrhundert eine Haupteinnahmequelle der Stadt war. In sogenannten „Besenwirtschaften“ [4] kann man den selbst erzeugten Wein eines Weinbauern kosten – oder wie es hier heißt: „ein Viertele schlotzen.“ [5] Mehr als 400 „Stäffele“ sind aus früherer Zeit noch erhalten. Das sind Treppen, die einst zu den Weinbauterrassen und benachbarten Höfen und Dörfern führten. Insgesamt ergeben sie über 20 Kilometer Treppenstufen!

Ebenso wie die Stäffele eine Anpassung an die vielen Hügel und Hänge Stuttgarts waren, so sind es heute Tunnel: Straßentunnel, Eisenbahntunnel, S-Bahn- und Stadtbahntunnel. Stuttgart ist wahrlich eine Stadt der Tunnel!

Ursprünglich stand „Stuttgart“ aber laut Überlieferung für einen „Stuotgarten“, einen Garten für Stuten oder ein Gestüt[6], das um das Jahr 950 von Herzog Liutolf von Schwaben angelegt wurde. 1219 war die darum herum gewachsene Ortschaft so groß geworden, dass ihr die Stadtrechte verliehen wurden.

Altes Schloss (Bild: Der Weg)

Ein Spaziergang durch die Stadt

53 Mal wurde Stuttgart während des Zweiten Weltkriegs angegriffen. Dabei wurden rund 70 % der Stadt zerstört. Nach dem Krieg entschied man sich dafür, die Stadt „autogerecht“ aufzubauen, statt auf Wiederherstellung historischer Gebäude zu achten. So wurden die Trümmer auf dem Birkenkopf (s.o.) zusammengetragen, einem künstlichen Berg am Rande der Stadt.

Trotz dieser Entscheidung überlebten einige wichtige Sehenswürdigkeiten. Im Zentrum Stuttgarts liegt das Alte Schloss am Schlossplatz. Es geht auf eine Wasserburg zurück, die schon zur Gründungszeit Stuttgarts den Stutengarten schützen sollte. Gleich daneben befindet sich das Neue Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das im barocken Stil für Herzog Karl Eugen erbaut wurde.

600 Jahre alt ist der Schlossgarten. Der „Obere Schlossgarten“ umgibt das Staatstheater und Landtagsgebäude. Im „Mittleren Schlossgarten“ kann das Carl-Zeiss-Planetarium[7] besucht werden. Es wurde 1977 eröffnet. An den „Unteren Schlossgarten“ schließt sich der Rosensteinpark an, der als der größte englische Landschaftspark im Südwesten Deutschlands gilt.

Das Wahrzeichen der Innenstadt ist die evangelische Stiftskirche. Sie wurde erstmals 1170 erbaut, seitdem aber mehrfach zerstört und wiederaufgebaut. Aus dem 14. und 15. Jahrhundert bestehen noch die Leonhardskirche und die Hospitalkirche, beide evangelisch.

Der Hauptbahnhof gilt als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“. Er wurde nach dem Ersten Weltkrieg erbaut. Sein Turm erhebt sich im Zentrum der Stadt auf 56 Meter Höhe. Die Markthalle und das Rathaus aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im Krieg schwer beschädigt. Entgegen der allgemeinen Tendenz, Ruinen einfach abzureißen, wurden sie wieder aufgebaut.

Hoch über der Stadt, auf dem Hohen Bopser (483 m), erhebt sich das Wahrzeichen der Stadt: der Stuttgarter Fernsehturm. Er ist 216,61 Meter hoch. Er wurde 1955 eröffnet und war der erste seiner Art in Deutschland. Mit der Idee, ihn auch für Touristen zu nutzen, wurde er zum Vorbild für Fernsehtürme weltweit. Schon 5 Jahre nach Eröffnung hatte man die Baukosten durch die Einnahmen von den Eintrittsgeldern decken können.

Wirtschaft

Stuttgart ist das Herz einer der industriestärksten Regionen der Bundesrepublik. Hier haben einige internationale Konzerne ihren Sitz, besonders aus der Automobil-, Elektro-, und Computerbranche. Daneben haben aber auch ungefähr 1500 mittelständische[8] Unternehmen ihren Platz in Stuttgart. Die Stuttgarter Börse ist der zweitwichtigste Börsenstandort in Deutschland. Verschiedene Banken und Versicherungen haben sich dort niedergelassen. (Ob da das schwäbische Streben nach Besitz und Sicherheit dahintersteht?) Nach wie vor hat der Weinbau einen wichtigen Stellenwert in der Wirtschaft. Stuttgart gehört zu den größten Weinbaugemeinden Deutschlands.

Nachwuchskräfte für die wirtschaftliche Entwicklung bilden die zwei Universitäten und verschiedene Fachhochschulen und Institute der Stadt heran. Nirgendwo in Deutschland wird so viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wie in Stuttgart. Hier werden die meisten Patente für neue Erfindungen angemeldet. Nach dem Kabarettisten Peter Grohmann geht das wiederum auf eine schwäbische Eigenschaft zurück: „Die Stuttgarter ‚bruddeln[9]’ einfach gern.“

Das Leben genießen

Zu einem Gläschen Wein gehört gutes Essen. Spätzle[10] und Maultaschen[11] sind nur zwei von vielen schwäbischen Köstlichkeiten. Als weiteren Ausgleich zu aller Arbeit bietet Stuttgart ein großes Angebot an kulturellen Veranstaltungen: Das Staatstheater mit Schauspiel, Ballett und Oper, verschiedene Museen, die Staatsgalerie… Wer es lieber sportlich mag, kommt auch auf seine Kosten. Stuttgart gilt sogar als heimliche Sporthauptstadt Deutschlands. Es gibt verschiedene Arenen und viele Parks für sportliche Aktivitäten. Auch für die geistliche Erbauung ist gesorgt. Seit der Reformation ist Stuttgart mehrheitlich protestantisch. Es gibt viele landeskirchliche und freikirchliche Gemeinden. Aber auch Katholiken, Juden und Moslems können dort Gemeinschaft mit Gleichgesinnten finden.

Heike Tiedeck

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2009

 

[1] Zeile aus einem Gedicht, das zum Ausdruck bringt, wie arbeitsam und sparsam die Schwaben sind
[2] „Ich muss mir einen neuen Kamm kaufen, beim alten ist eine Zacke herausgebrochen.” – „Mensch, den kannst du doch noch benutzen.“ – „Nein, es war leider die letzte.“
[3] bekannter Fußballverein VfB Stuttgart
[4] so genannt, weil ein Besen über der Tür hängt als Zeichen, dass der angebotene Wein von dieser Familie hergestellt wurde
[5] einen Viertelliter Wein mit Genuss trinken, schlürfen
[6] ein Ort, an dem Pferde gezüchtet werden
[7] Unter einem Planetarium versteht man ein Gebäude mit einer halbkugelförmigen Kuppel, auf deren Innenfläche Bilder des Sternenhimmels von einem speziellen Projektor erzeugt werden
[8] von mittlerer Größe, oft Familienunternehmen
[9] grübeln, versuchen, etwas besser zu machen
[10] selbstgemachte Nudeln
[11] Teigtaschen, mit Fleisch gefüllt und oft in Brühe gekocht