Leben und Leiden des Georg Trakl

Geboren wurde der österreichische Dichter am 3.2.1887 in Salzburg. Sein Vater war ein Händler für Eisenwaren und ein fröhlicher, lebenslustiger Mensch. Seine Mutter war neurotisch [1] veranlagt [2] und liebte die Kunst. Georg Trakl wuchs äußerlich wohlbehütet als viertes von sechs Kindern auf. Von 1897 bis 1905 besuchte er das humanistische Staatsgymnasium. In den Schulfächern Latein, Griechisch und Mathematik waren seine Leistungen gering. Deshalb wurde er zweimal während seiner Schulzeit nicht versetzt. Danach entschloss er sich, in der Hauptstadt Wien ab 1908 Pharmazie zu studieren. Er wollte Apotheker werden.

Veröffentlichung erster Gedichte

Durch Kontakte zum „Akademischen Verband für Literatur und Musik“ wurden seine ersten Werke in der Zeitschrift „Der Brenner“ veröffentlicht. Der Herausgeber unterstützte ihn und erkannte die große literarische Begabung von Georg Trakl. 1910, im Todesjahr seines Vaters, schloss er mühsam sein Studium als Magister der Pharmazie ab und lebte ab 1912 in der Stadt Innsbruck. Danach meldete sich Trakl freiwillig für ein Jahr zum Militär als Medikamentenbeamter. Als Apotheker arbeitete er abwechselnd in Salzburg, Wien und Innsbruck. Aber er hielt es nirgends lange aus. Georg Trakl war ein schwermütiger [3] und unruhiger Einzelgänger. Nur zu seiner Schwester Margarethe (Grethe) hatte er einen starken Bezug. Er konnte das Leben nur sehr schwer ertragen und stürzte sich immer wieder in übermäßigen Drogen- und Alkoholkonsum. Margarete hielt zu ihm, sie teilte auch seine Abhängigkeit von den Drogen. Sie studierte Musik in Wien und später in Berlin. Georg war sehr eifersüchtig und ertrug es nur mit innerlichen Qualen [4], wenn seine kleine Schwester mit anderen Männern zusammen war.

Ein entscheidendes Erlebnis

Im Jahre 1912 heiratete „Grethe“ einen deutschen Buchhändler in Berlin. Georg versetzte dies in einen Schockzustand und löste seine kreativste [5] dichterische Lebensphase aus. Sein dichterisches Werk ist geprägt von Trauer, Angst, Schwermut und der Suche nach dem Sinn des Lebens. Die bildhafte Sprache seiner Gedichte war von großer düsterer Kraft und Farbenpracht. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Vertreter des österreichischen Expressionismus [6]. Trakl verstand es, seine tiefsten schmerzhaften Empfindungen in Worte zu fassen und ihnen einen unvergleichlichen Ausdruck zu verleihen. Dabei ließ er sich auch in seinen Motiven von den antiken Mythen [7] beeinflussen wie zum Beispiel in seinem Gedicht „Orpheus“. Auch die Bildwelt des Christentums hatte ihn inspiriert. Bei Kriegsausbruch (1914) rückte er als Medikamentenbetreuer nach Galizien (Ukraine) und musste nach der blutigen Schlacht bei Grodek/Rawa-Ruska alleine für neunzig Schwerverwundete in einer Scheune die Betreuung übernehmen. Trakl erlitt einen Nervenzusammenbruch [8] und wurde von seinen Kameraden daran gehindert, sich selbst zu erschießen.

Ein frühes Ende

Weil er einen schweren seelischen Schock bekommen hatte, wurde er schließlich zur Beobachtung nach Krakau überführt. Dort starb er im Alter von 27 Jahren an einer Kokainvergiftung. Man ist sich heute nicht sicher, ob es sich dabei um einen Selbstmord oder um einen Unglücksfall handelte. Wie seine Schwester darauf reagierte ist weithin unbekannt. Man weiß nur, daß sie eine Schwangerschaft abgebrochen hat und sich drei Jahre nach dem Tod des Bruders selbst erschossen hat. Ihre Ehe war nicht glücklich. Die tiefsinnigen Gedichte Georg Trakls in der ihm eigenen Sprache sind das Spiegelbild einer zerfallenden Welt und treffender Ausdruck einer scheinbar zusammenhanglosen Bilderfülle. Die Tiefe seiner Werke ist auch heute kaum ergründbar. In der Bibel steht: „Nichts ist so abgründig wie das menschliche Herz. Voll Unheil ist es; wer kann es durchschauen? (Jer. 17,9).“ Gott aber kann es!

Jörg Bauer

Gedichte von Georg Trackl

[1] neurotisch: nicht normal, auf Grund einer psychische (und oft auch körperliche) Störung, die ihre Ursache meist darin hat, dass man (als Kind) schlimme Erlebnisse hatte und mit ihnen nicht zurechtgekommen ist
[2] veranlagt: mit einer bestimmten körperlichen oder psychischen Eigenschaft oder Neigung geboren
[3] schwermütig: in einem Zustand von solcher Traurigkeit, dass man nichts mehr tun will
[4] die Qual: (hier) starker körperlicher oder seelischer Schmerz
[5] kreativ: mit neuen und originellen Ideen (die auch realisiert werden) – schöpferisch
[6] der Expressionismus: ein Stil der (europäischen) Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem elementare Erlebnisse (z.B. des Krieges) mit intensiven, starken Mitteln (Farben, Bildern usw) ausgedrückt werden
[7] der Mythos: eine sehr alte Geschichte, die meist religiöse oder magische Vorstellungen enthält – Sage
[8] der Nervenzusammenbruch: der Vorgang, bei dem jemandes Nerven versagen, weil er körperlich, geistig oder seelisch sehr große Probleme hat