Albert Einstein

– und diese merkwürdige Sache namens Relativitätstheorie, die fast niemand durchschaut …

Als Albert Einstein am 7.November 1919 in seiner Berliner Wohnung erwacht, hat sein Leben eine entscheidende Wende genommen. Noch hat der 40-jährige keine Ahnung davon, was es bedeutet, von den Massenmedien entdeckt zu werden. Bislang hatte er weitgehend unbehelligt von der Öffentlichkeit gelebt und geforscht. In seinem Bestreben, „dem Herrgott in die Karten zu gucken“, ist er dem Wesen der Natur so nahe gekommen, wie nur wenige. Die Londoner Times, bekannt für ihre sachliche, zurückhaltende Berichterstattung, schreibt an jenem Novembermorgen euphorisch über eine „Revolution in der Wissenschaft“ und stellt ihren Lesern „eine der bedeutendsten, wenn nicht die bedeutendste Aussage menschlichen Denkens“ vor. Für Einstein im fernen Berlin bringt der Inhalt dieses Artikels keinerlei Überraschung. Denn „die Revolution“- gemeint ist seine „Allgemeine Relativitätstheorie“- liegt immerhin schon 4 Jahre zurück. Und ihm war auch bereits bekannt, dass eine astronomische Messung vor 5 Monaten seine „Neue Theorie des Universums“ bestätigt hatte. Als Prüfsteine für die Richtigkeit seiner Theorie hatte Einstein mehrere Vorhersagen gemacht. Eine davon besagt, dass große Massen den Raum regelrecht verbiegen oder krümmen. Sollte diese Krümmung tatsächlich existieren, dann müsste das Licht auf seinem Weg durch das Weltall ihren Formen genau folgen. In der Nähe der Sonne, der großen Masse im Weltraum, die uns am nächsten ist, müsste es um einen winzigen, aber messbaren Betrag abgelenkt werden. Dieser Betrag lässt sich durch Einsteins Formeln exakt berechnen: in der Sprache der Geometrie 1,7 Bogensekunden.

Das entspricht am Himmel etwa dem Abstand von der Breite eines Streichholzes. Die erforderlichen Messungen sind nur alle paar Jahre möglich, wenn der Mond die Sonne für wenige Minuten vollständig bedeckt. Britischen Forschern waren diese Forschungen während einer Sonnenfinsternis in den Tropen gelungen – und zwar bereits am 29.Mai 1919. Einstein hatte von den Resultaten im Frühsommer erfahren. „Heute freudige Nachricht. Die englische Expedition hat die Lichtablenkung an der Sonne wirklich bewiesen“, telegrafiert Einstein im Juni 1919 an seine Mutter in die Schweiz. Doch erst am 6.November 1919 werden die Ergebnisse auf einer Sitzung der Royal Astronomical Society in London offiziell verkündet. Am 10. November schreibt die New York Times: „Sterne am Himmel alle schief“. Einsteins Theorie sei bewiesen, aber niemand müsse sich zu sehr dafür interessieren, was die neue Theorie beinhaltet, denn „nur 12 weise Männer sind in der Lage, sie zu verstehen.“

Berlin nimmt von der sensationellen Meldung weder am 7. November noch in den Tagen danach Notiz. Die Menschen in der Hauptstadt haben ein Jahr nach Ende des Krieges andere Sorgen. Mangel besteht an fast allem. Die Menschen hungern und frieren. Die Bahn hat für 11 Tage ihren Personenverkehr eingestellt, um wenigstens das Nötigste an Kartoffeln und Kohlen in die Stadt zu schaffen. Die Zeitungen berichten über einen drohenden Generalstreik, über Verhandlungen der Regierung mit den Siegermächten über Friedensbedingungen und Reparationen.

Erst am 14. November zeigt die Berliner Illustrierte Zeitung auf ihrem Titelblatt das Porträtfoto eines ernsten, nachdenklich vor sich hinblickenden Mannes mit zurückgekämmtem dunklem Haar und großen staunenden Kinderaugen – Albert Einstein. Darunter ist zu lesen: Eine neue Größe der Weltgeschichte. Damit ist in Einsteins Leben die entscheidende Wende eingetreten. Aus dem bisher nur in Fachkreisen bekannten Forscher wird eine weltweit berühmte Persönlichkeit. Er wird überhäuft mit Einladungen zu wissenschaftlichen Vorträgen, Anfragen. Unzählige Wissenschaftler bitten ihn um Begutachtung ihrer Arbeiten. „Es ist furchtbar“, klagt Einstein einem Freund gegenüber, „ich bekomme so viele Briefe, alle Verrückten dieser Welt schreiben mir.“

Während einer Japanreise 1921 erfährt Einstein, dass ihm der Nobelpreis für Physik zuerkannt wird.

Einstein ließ sich nie von politischen Organisationen vereinnahmen, er bezeichnete sich selbst als leidenschaftlichen Pazifisten und „Juden von freiheitlicher internationaler Gesinnung“.

1932 unterschreibt er einen Aufruf zur Bildung einer antifaschistischen Einheitsfront. Daraufhin beginnt der Geheimdienst, sich für seine Schriften und Vorträge zu interessieren. Da sich Einstein zunehmenden antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt sieht, übersiedelt er 1932 in die USA und lebt in Princeton, wo er an der dortigen Universität bis zu seinem Tod am 18.April 1955 lehrt und forscht.

Albert Einstein – Biografische Daten:

Geboren am 14.März 1879 in Ulm
1880-1894 Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in München
1896 Studium am Polytechnikum in Zürich (Schweiz)
1901 Annahme der Schweizer Staatsbürgerschaft
1905 „Wunderjahr“- Einstein veröffentlicht in kurzer Folge Arbeiten über den Fotoeffekt, die Bewegung und Dimension von Molekülen sowie die Spezielle Relativitätstheorie. Diese Arbeiten revolutionieren die Physik.
1911 Professur an der Universität Prag
1914 Umzug nach Berlin, Unterzeichnung eines Manifests gegen den Krieg 1916
Veröffentlichung der Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie
1921 Für den Fotoelektrischen Effekt wird ihm der Nobelpreis für Physik zugesprochen.
1932 Professur am Institute for Advanced Studies in Princeton (USA). Nach Machtübernahme der Nazis in Deutschland Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft
1933 Enteignung seines Vermögens durch die Nazis
1940 Einstein erhält zusätzlich zur schweizerischen die amerikanische Staatsbürgerschaft.
1950 Einstein kritisiert die Entwicklung der Wasserstoffbombe in den USA, gerät dadurch ins Visier des Geheimdienstes FBI.
1955 Engagement gegen das Wettrüsten
Einstein stirbt am 18.April an den Folgen eines Aneurysmas im Princeton Hospital.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ Internetausgabe 2005