Alexander von Humboldt (1756-1859)

der letzte Universalgelehrte[1]

„Es ist ein Treiben in mir“

Kein anderer Mensch hat die Weltkarte so nachhaltig mit seinem Namen markiert; sei es der Humboldtstrom in Südamerika, der Berg Peak Humboldt in Venezuela, der Humboldt Peak in Colorado. Städte, Berge, Flüsse und außerdem zahlreiche Tier-und Pflanzennamen erinnern noch heute an den bedeutenden Naturforscher. Schon Johann Wolfgang von Goethe hatte Humboldts Vielseitigkeit mit folgenden Worten gepriesen: „Wohin man blickt, er ist überall zu Hause und überschüttet uns mit geistigen Schätzen. Er gleicht einem Brunnen mit vielen Röhren, wo es immer erquicklich und unerschöpflich entgegen strömt.“

Heute schätzen ihn Botaniker als Pionier der Pflanzengeographie, einen Wissenschaftszweig, den er begründete. Humboldt war uneigennütziger[2] Förderer junger Naturwissenschaftler, Kulturwissenschaftler wie Manfred Osten, ehemaliger Generalsekretär der Alexander- von- Humboldt- Stiftung feiern Humboldt als „letzten Universalgelehrten der Geschichte“. Neben der Erforschung des einzelnen Gegenstandes auf verschiedenen Gebieten war es stets sein Ziel, die inneren Zusammenhänge, die Gesetzlichkeit in der Entwicklung der Natur zu ergründen und in Beziehung zu setzen zu „benachbarten“ Forschungsgegenständen. Somit können wir ihn heute – modern ausgedrückt- als einen der Begründer der interdisziplinären Forschung betrachten.

Als Alexander von Humboldt vor 150 Jahren in Berlin starb, war er fast 90 Jahre alt. Dabei hatte er sich im Laufe seines Lebens einer Gefahr nach der anderen ausgesetzt: Die Wirkung elektrischer Aale hatte er in Südamerika am eigenen Leib überprüft. Er hatte das Lianen-Gift „Curare“ getrunken, um zu beweisen, dass es nur durch direkten Blutkontakt tödlich wirkt. Mit leichten Lederschuhen stieg er auf den über 6000 Meter hohen Chimborazo in Ecuador, den er für den höchsten Berg der Welt hielt. Etwa 600 Meter vor dem Gipfel musste er jedoch umkehren. Als erster hat Humboldt die Symptome der Höhenkrankheit beschrieben.

Geboren wurde A .v. Humboldt am 14. September 1769 in Berlin als Sohn einer wohlhabenden preußischen Adelsfamilie. Er interessierte sich, anders als sein philologisch orientierter älterer Bruder Wilhelm, schon früh für Naturgeschichte. An den Universitäten Frankfurt/Oder und Göttingen studierte er Naturwissenschaften, ging dann aber auf Drängen[3] seiner verwitweten Mutter als Student der Staatswirtschaftslehre nach Hamburg, danach an die Bergakademie nach Freiberg in Sachsen, um sich auf den höheren Staatsdienst vorzubereiten. Als Bergassessor bewies er sein soziales Engagement: Er gründete auf eigene Kosten eine „Bergschule“ zur kostenlosen Ausbildung der Bergarbeiter, für die er auch Atemschutzgeräte und Grubenlampen entwickelte.

1796 begab sich A. v. Humboldt nach Paris, wo er den Arzt und Botaniker Aime Bonpland kennen lernte. Gemeinsam bereiteten sie ihre erste Expedition vor. Diese führte 1799 zwar nicht wie geplant an den Südpol, sondern nach Venezuela. Dort lernte Humboldt die Sklaverei in ihrer schlimmsten Form kennen. Erschüttert von diesen Eindrücken, schrieb er eindringliche Appelle für die “ allgemeine Humanisierung“, die allerdings an den Zuständen im Lande nichts bewirkten. „Alle Menschen sind gleichmäßig zur Freiheit bestimmt“, schrieb Humboldt in seinem Tagebuch. Humboldt fuhr in einem Indianerboot den Orinoco hinauf und entdeckte einen Wasserarm, der das Flusssystem des Orinoco mit dem des Amazonas verband. Die Quelle des Orinoco blieb zwar weiterhin unbekannt, doch zwischen „indianischen Tigern“ und „mehr Mücken als Luft“ sammelte Humboldt etwa 6000, darunter 3600 bisher unbekannte Pflanzenarten. Mit seinem Reisebegleiter Bonpland setzte er nach Kuba über, reiste weiter nach Kolumbien, Ecuador und Peru, wo er den Guano als Dünger entdeckte. Über Mexiko reiste er in die USA, dort bereitete ihm Präsident Thomas Jefferson einen ehrenvollen Empfang. Als die Pariser Humboldt bei seiner Rückkehr im Jahre 1804 wie einen Helden feierten, soll Kaiser Napoleon äußerst eifersüchtig auf die erfolgreichen Forscher gewesen sein. In den folgenden Jahren wertete Humboldt die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Expedition aus. Es entstand ein umfangreiches Werk in 33 Bänden. Neben Botanik, Zoologie, Meteorologie sind darin auch für die damalige Zeit einzigartige neue Erkenntnisse über Wirtschaftsgeographie und Ethnologie zusammen getragen. Wegweisend waren seine Forschungen auch auf dem Gebiet der Meteorologie: Humboldt untersuchte die Zusammensetzung der Atmosphäre. Er hatte die gesetzmäßige Abnahme der Temperatur mit zunehmender Höhe erkannt und zeichnete 1817 die erste Isothermenkarte der Erde. Da Humboldts finanzielle Mittel durch die ausgedehnten Expeditionen aufgebraucht waren, nahm er die Einladung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nach Berlin an. Er wurde königlicher Kammerherr und begann nebenbei eine umfangreiche Vorlesungstätigkeit an wissenschaftlichen Einrichtungen.

Im Jahr 1829 nahm Humboldt nochmals als Geologe an einer Expedition teil, diese führte ihn nach Sibirien, wo im Auftrag des russischen Zaren Nikolai I. die Diamantenvorkommen untersucht wurden. Weiter reiste er in den Ural, ins Altai Gebirge und bis ans Kaspische Meer. Nach seiner Rückkehr nach Berlin arbeitete Humboldt bis zu seinem Tod an seinem Lebenswerk, einer „physischen Weltbeschreibung“, die er unter dem Titel „Kosmos“ herausgab. Jedoch konnte er dieses Werk nicht mehr vollenden. Zwischen 1845-1862 waren insgesamt fünf Bände erschienen. Erst nach seinem Tod wurde sein literarisch und wissenschaftlich interessanter Briefwechsel mit Johann Wolfgang von Goethe, Varnhagen und den Naturwissenschaftlern Bunsen und Gauß, sowie mit seinem Bruder, dem bedeutenden Philologen Wilhelm von Humboldt, veröffentlicht.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 4/2009

[1] ein Wissenschaftler, der sich auf allen Gebieten auskennt
[2] nicht auf eigenen Vorteil bedacht
[3] eine dringende Bitte