Franz Kafka – Vorreiter der modernen Literatur (I) ****

Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren und verbrachte dort auch den größten Teil seines kurzen Lebens. Obwohl vor 1900 geboren, wird Kafka zu den modernen Schriftstellern der deutschsprachigen Literatur gezählt.

Rückzug in die Literatur

Nach seinem Studienabschluss führte er ein denkbar trostloses Dasein als Junggeselle, der noch bei seinen Eltern wohnte. Tagsüber saß er in seinem Büro einer Versicherung, nachmittags legte er sich für ein paar Stunden ins Bett oder unternahm lange Spaziergänge, um spätabends für seine eigentliche Bestimmung gerüstet zu sein.

Franz Kafka verstand sich in einem ausschließlichen Sinne als Schriftsteller. Nur beim Schreiben konnte er sich ausleben. Innerhalb der Familie galt der nach innen gekehrte Schriftsteller als Außenseiter. Im Lauf der Jahre zog er sich zunehmend in die Literatur zurück. Eine Übertragung dieses Rückzugs findet sich in der Erzählung „Die Verwandlung”. Das hing mit dem Vater zusammen, der großen Anteil an der Misere[1] seines Sohnes hatte: Der Jude Hermann Kafka war ein tüchtiger und harter Geschäftsmann. Gemeinsam mit seiner Frau führte er einen Kurzwarenladen[2]. Den Kindern hielt er fast täglich vor, dass sie alles nur ihm zu verdanken hätten.

Franz Kafka schrieb in späteren Jahren einen etwa hundertseitigen „Brief an den Vater”(1919), den er allerdings nie abgeschickt hat. Darin schildert er sein Kindheits-Trauma[3]: den übermächtigen Vater, der alles bestimmte und den er trotzdem grenzenlos bewunderte. Durch sein gesamtes Werk zieht sich diese Thematik des allmächtigen, gottgleichen Vaters. [4]

Schwierige Texte und schweres Leben

Kafka schrieb sich an der deutschen Universität in Prag zunächst für Chemie ein – doch wechselte er nach 14 Tagen erst zu Rechtswissenschaften, dann zur Germanistik und kehrte im dritten Semester enttäuscht zu den Rechtswissenschaften zurück. Er promovierte als Jurist und arbeitete ab 1908 für eine Versicherung.

In diese umtriebige[5] Zeit fallen Kafkas erste längere Texte. Der Spott über das trockene Rechtswesen schwingt in Kafkas beiden großen Roman-Teilstücken „Das Schloss” (ab 1914) und „Der Prozess” mit. Zeit seines Lebens behielt Kafka ein Gefühl der eigenen Wertlosigkeit, und ebenso abschätzig dachte er über seine Schriften.

Nachdem er sich 1905 endlich dazu durchringen konnte, Max Brod seine „Beschreibung eines Kampfes” zum Lesen zu geben, lobte dieser den noch völlig unbekannten Franz Kafka in einem Zeitungsartikel als einen der hoffnungsvollen jungen Schriftsteller. Max Brod stellte 1912 auch den Kontakt mit dem Verleger Kurt Wolff her. Allerdings zog sich die Veröffentlichung seiner Werke schleppend hin: Wolff suchte nach einer Möglichkeit, Kafkas schwierige Texte mit Gewinn auf den Markt zu bringen.

Ein früher Tod

Dreimal verlobte sich Kafka und löste nach einer kurzen Spanne jedes Mal die Verlobung wieder: zweimal mit Felice Bauer, einmal mit Julie Wohrycek. Zwischen Felice Bauer und Franz Kafka entspannte sich binnen weniger Wochen ein umfangreicher Briefwechsel, der fünfeinhalb Jahre anhielt. Sie begegneten sich allerdings kaum und eine echte Beziehung entstand nicht.

1917 erkrankte Kafka an einer schweren Lungen- und Kehlkopftuberkulose. Angesichts der Erkrankung zeigte sich der sonst ängstliche Kafka nicht übermäßig betroffen. Vielmehr schien er so etwas geahnt zu haben.

Für die letzten glanzlosen Monate seines Lebens fand Kafka in dem ostjüdischen Mädchen Dora Diamant eine Gefährtin, die sich vorbehaltlos um seine Bedürfnisse kümmerte. Kafka verließ Prag, und die beiden mieteten eine kleine Wohnung in Berlin. Aufgrund der mangelhaften Ernährung verschlechterte sich Kafkas gesundheitlicher Zustand, er musste in ein Krankenhaus gebracht werden, doch es bestand schon keine Hoffnung mehr. In den letzten Wochen vor seinem Tod konnte Kafka oft weder essen noch sprechen. Er starb am 3. Juni 1924.

1925 veröffentlichte Brod den Roman „Der Prozess” und in den kommenden Jahren das „Schloss”, „Amerika” sowie weitere Texte seines Freundes, obwohl Kafka bestimmt hatte, seine literarische Hinterlassenschaft „restlos und ungelesen zu verbrennen”.

Daniel Ziegler (Teil 2 über das Werk Franz Kafkas folgt)

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2004

[1] die Misere: eine sehr schwierige Situation – Notlage
[2] die Kurzwaren: kleine Dinge, die man beim Nähen und beim Handarbeiten braucht
[3] das Trauma: ein schwerer seelischer Schock, der lange nachwirkt
[4] Aus dieser psychischen Last resultierte auch sein schwieriges Verhältnis den Frauen gegenüber.
[5] umtriebig: betriebsam, rege, rührig