Zum 200.Todestag von Friedrich Schiller (1759-1805) ***

„Es ist bei Schiller jedes Wort praktisch, und man kann ihn im Leben überall anwenden“.

Auch 200 Jahre nach dem Tod Schillers ist diese Einschätzung seines Freundes Johann Wolfgang v. Goethe noch gültig. Schiller gehört bis in die Gegenwart zu den meistgespielten Klassikern in Deutschland und im europäischen Ausland.

Seinen Dramen liegen große historische Stoffe und Persönlichkeiten zugrunde: Don Carlos, die Räuber, Maria Stuart, Wilhelm Tell, Die Jungfrau von Orleans, Wallenstein. Dabei handelt es sich in seinen Werken nie um trockene Geschichtsdarstellung, sondern der Zuschauer erlebt auf der Bühne historische Wirklichkeit. Bei der Dramatisierung historischer Stoffe gelingt es Schiller auf einzigartige Weise, seine poetischen, philosophischen und historischen Ideen zu bündeln[1] und in den Schicksalen seiner Helden ein zeitloses Muster abzubilden[2].

Aus Schillers Leben

Im Jahre 1799 übersiedelt Schiller vom nahe gelegenen Jena, wo er als Geschichtsprofessor an der Universität gelehrt hatte, nach Weimar. Bereits seit 1794 bestand das berühmte Freundschafts- und Schaffensbündnis mit Goethe. Die Jahre des intensiven geistigen Austausches bis zum Tode Schillers wurden zum Inbegriff deutscher klassischer Dichtung, eingegangen in die Literaturgeschichte als Weimarer Klassik. Die Weimarer Jahre waren wohl die glücklichsten im Leben Schillers. Sein Wohnhaus befand sich nur wenige hundert Meter vom Haus des bewunderten Freundes entfernt. Auch die Dichterkollegen Herder und Wieland wohnten in unmittelbarer Nähe. Zum Weimarer Hoftheater, wo viele seiner Dramen uraufgeführt wurden, war es nur ein Katzensprung[3].

Schiller liebte das Leben. Wenn immer es seine Gesundheit zuließ, ging er auf Geselligkeiten. Er trank gern Wein und liebte das Spiel und den Tabak. Seine zahlreichen Krankheitsanfälle machten ihm aber auch bewusst, dass seine Zeit knapp bemessen sein würde.

Gedichte von Schiller

An den Frühling

Willkommen, schöner Jüngling,
du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
willkommen auf der Flur!

Ei! Ei! Da bist ja wieder!
Und bist so lieb und schön!
Und freu`n wir uns so herzlich,
entgegen dir zu geh`n.

Denkst auch noch an mein Mädchen?
Ei, Lieber, denke doch!
Dort liebte mich das Mädchen,
und `s Mädchen liebt mich noch.

Für’s Mädchen manches Blümchen
erbat ich mir von dir-
ich komm und bitte wieder,
und du – du gibst es mir?

Willkommen, schöner Jüngling,
du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
willkommen auf der Flur!

Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel
von bessern künftigen Tagen;
nach einem glücklichen, goldenen Ziel
sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
sie umflattert den fröhlichen Knaben,
den Jüngling locket ihr Zauberschein,
sie wird mit dem Greis nicht begraben.
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
noch im Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.

Aphorismen

Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes werden,
als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an!

Willst du dich selber erkennen, so sieh`, wie die anderen es treiben.
Willst du die anderen verstehen, blick`in dein eigenes Herz!

Gott nur siehet das Herz.
Drum eben, weil Gott nur das Herz sieht, sorge, dass wir doch auch etwas Erträgliches sehn.

Teuer ist mir der Freund. Doch auch dem Feind kann ich nützen:
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll.
(Gekürzt)

Am 25. April 1805 schreibt Schiller in einem Brief an seine Schwägerin: „Die bessere Jahreszeit lässt sich endlich auch bei uns fühlen und bringt wieder Mut und Stimmung. Aber ich werde Mühe haben, die harten Stöße der letzten 9 Monate zu überwinden. … Indessen will ich mich ganz zufrieden geben, wenn mir das Leben und leidliche[4] Gesundheit bis zum 50. Jahre anhält.“

Obwohl sich sein Gesundheitszustand in den folgenden Tagen nach einem heftigen Fieberanfall zusehends[5] verschlechtert, sagt Schiller noch am 8.Mai zu seiner Schwägerin, die ihn fragt, wie es ihm gehe: „Immer besser, immer heitrer.“ Schillers letzte Zeilen, niedergeschrieben an seinem Todestag, am 9.Mai 1805, lassen sich unter dem Vorzeichen der Ewigkeit durchaus als ein Vermächtnis[6] lesen:

O – warum bin ich hier geengt, gebunden,
beschränkt mit dem unendlichen Gefühl!
Wer hebt den Raum auf, der mich von ihm scheidet?
Du ewge Sonne, die den Erdenball umkreist,
sei Du die Botin meiner Wünsche!
Du allverbreitet ungehemmte Luft,
die schnell die weitste Wanderung vollendet,
O trag ihm meine glühnde Sehnsucht zu!
Ich habe nichts als mein Gebet und Flehn,
das schöpf ich flammend aus der tiefsten Seele,
beflügelt send ich`s in des Himmels Höhn,
wie eine Heerschar send ich`s Dir entgegen.

Schiller als Lyriker

Schillers Lyrik ist Gedankenlyrik, Lehrdichtung, die abstrakte Inhalte in konkreten Bildern veranschaulichen will. Dazu greift er auf die griechische Mythologie und auf historische Stoffe zurück. Seine Gedichte und Balladen idealisieren[7] das Wahre, Gute, Schöne. Themen all seiner Gedichte sind das Genie, die Freiheit, die Schönheit, die Sehnsucht nach der Harmonie von Natur und Kultur. Immer liegen seinen lyrischen Werken der Kampf zwischen dem Ideal und dem Leben zugrunde. Zu den bekanntesten Balladen gehören: Der Taucher, Die Kraniche des Ibykus, Der Handschuh, Die Bürgschaft, Der Ring des Polykrates.

Schiller-Zitate, die zu „geflügelten Worten“ geworden sind.

1. Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. (Tell 3,1)

2. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten … (An die Freude)

 

3. Der Mensch besitzt den ungewöhnlichsten Charakter oder keinen. (Don Karlos 3,7)

4. Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. (Wallenstein, Prolog)

5. Früh übt sich, was ein Meister werden will. (Tell 3,1)

6. Jetzt oder nie! (Tell 3,2)

7. Der kluge Mann baut vor. (Tell 1,2)

8. Dem Manne kann geholfen werden. (Räuber 5,2)

9. Raum ist in der kleinsten Hütte. (Der Jüngling am Bache)

10. Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn. (Die Bürgschaft)

11. Was ist der langen Rede kurzer Sinn? (Piccolomini 1,2)

12. Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. (Die Glocke)

Aufgabe: Versuchen Sie, die Zitate zu verstehen und zu erläutern!

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2005

 

[1] bündeln: einzelne gleiche oder unterschiedliche Dinge zu einem Ganzen zusammenfassen
[2] abbilden: nachbildend, bildlich darstellen, nachgestalten
[3] nur ein Katzensprung (gespr.): nicht weit entfernt
[4] leidlich: weder gut noch schlecht – mittelmäßig, durchschnittlich
[5] zusehends: so, dass die Veränderungen, die dabei stattfinden, einem auch auffallen
[6] das Vermächtnis: ein Dokument, in dem steht, was man an wen vererben will – ? Testament
[7] idealisieren: jemanden / etwas besser oder schöner darstellen, als er / es wirklich ist – ? verklären