Ein Termin beim Arzt ***

Liebe Irina,

vielen Dank für die Glückwünsche zur Geburt unserer zweiten Tochter Tabea.

Uns geht es allen gut. Trotzdem haben wir für die nächste Woche wieder einige Arzttermine vereinbart. Ein Zahnarztbesuch sowie die Krebsvorsorge beim Frauenarzt sind schon lange fällig. Außerdem muss Tabea zur nächsten Kontrolluntersuchung beim Kinderarzt.

Ja, nirgendwo sonst in Europa geht man so oft zum Arzt wie in Deutschland. Man hat festgestellt, dass die Deutschen im Durchschnitt elf Mal im Jahr den Arzt aufsuchen, die Franzosen hingegen nur sechs Mal und die Schweden gar drei Mal. Obwohl die Deutschen nach der letzten Gesundheitsreform 10 Euro Gebühr pro Quartal zahlen müssen, wenn sie zum Arzt gehen, bleiben sie trotzdem ‚Europameister‘ bei den Arztbesuchen.

Ärzte schütten Medikamente, von denen sie wenig wissen, zur Heilung von Krankheiten, von denen sie weniger wissen, in Menschen, von denen sie nichts wissen. (Voltaire)

Wegen der Sorge um den Arbeitsplatz lassen sich die Deutschen in letzter Zeit nicht mehr so oft krankschreiben[1]. Viele, die trotzdem zu Hause bleiben, leiden oft an Rückenschmerzen. Diese sind für bis zu 25% der Krankschreibungen verantwortlich.

Krank zu sein ist auch teurer geworden. Neben der Praxisgebühr müssen die meisten Leute bei Medikamenten, im Krankenhaus und beim Zahnersatz etwas zusätzlich bezahlen. Den größten Teil bezahlt aber weiterhin die Krankenkasse.

Wenn man krank wird

Wie ich dir schon mal geschrieben habe, vereinbart man den Arzttermin in Deutschland meistens telefonisch. Wenn man nicht zu dem Termin kommen kann, muss man ihn vorher absagen.

Bei vielen Ärzten darf man nur bei akuten Schmerzen ohne Termin vorbeikommen. Normalerweise geht man zuerst zum Hausarzt, der dann eine Diagnose stellt. Zur weiteren Untersuchung und Behandlung ist manchmal noch eine Überweisung zu einem Facharzt notwendig, wie z.B. einem Internisten[2], Orthopäden[3] oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Bei den Fachärzten muss man manchmal aber viele Wochen auf einen Termin warten.

Ärzte, die nicht im Krankenhaus arbeiten, haben ihre eigene Praxis mit eigenem Personal. Man kann sich den Arzt selbst aussuchen. Wenn man nicht zufrieden ist, wechselt man zu einem Anderen, dem man mehr vertraut. Manche Leute kritisieren, der Arzt höre nicht zu und habe keine Zeit.

Ich bin eigentlich mit meinen Ärzten zufrieden. Sie sind sehr freundlich, haben Humor, stellen viele Fragen und ich muss vor ihnen keine Angst haben. Sogar mein Zahnarzt ist ein feiner Mensch und bietet mir eine Betäubungsspritze an, wenn ich mal nicht so tapfer bin. In unserem kleinen Dorf gibt es nur einen Hausarzt. Die Fachärzte sind in den etwas größeren Städten.

Einige Urin- und Blutwerte kann der Arzt oft in seiner Praxis gleich auswerten. Für größere Untersuchungen muss er die Proben in ein spezielles Labor einschicken.

Wird man am Wochenende krank, muss man in der Zeitung nachsehen, welcher Arzt Notdienst hat. Wenn eine telefonische Beratung nicht ausreicht, darf man gleich zu ihm kommen.

Gesund bleiben

Was mir besonders aufgefallen ist, dass die Ärzte hier nicht so viele Medikamente verschreiben, wie ich es früher gewohnt war. Egal, ob man Erkältung, Kreislauf- oder Nierenbeschwerden hat, gilt in Deutschland vor allem: Viel trinken, mindestens zwei Liter am Tag!

Um körperlich fit zu bleiben, achten viele Deutsche auf eine gesunde Ernährung und treiben regelmäßig Sport. Fußball spielen, Schwimmen, Joggen und Nordic-Walking[4] sind heutzutage sehr beliebt.

Irina, ich hoffe, du bist und bleibst gesund! Viel Kraft und alles Gute wünscht dir

deine Elena

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 4/2005

[1] jmdn. krankschreiben: (als Arzt) schriftlich bestätigen, dass jemand krank ist und deshalb nicht arbeiten oder zur Schule gehen kann
[2] der Internist: Facharzt f? Krankheiten der inneren Organe (z.B. Herz etc.)
[3] der Orthopäd?e: Facharzt f? das Halte- und Bewegesystem (Gelenke, Knochen etc.)
[4] das Nordic-Walking: schnelles Gehen mit der Unterstüzung von Stöcken