Die neue Lust am Tauschen ***

Eine selbstgezimmerte Kiste

Nicht viel größer als eine Telefonzelle ist die „Givebox“ (Geschenkekiste) in der Steinstraße in Berlin-Mitte, in der neben Büchern, Schuhen, CDs und Blumentöpfen auch Hemden und Röcke zu finden sind. Hier kann man sich kostenlos mitnehmen, was einem gefällt, und Dinge zurücklassen, die man nicht mehr braucht. Ein junges Paar aus Berlin hat diese weltweit erste „Givebox“ im August 2011 gebaut. Seitdem hat die Idee Tausende begeisterte Anhänger und zahlreiche Nachahmer gefunden. In etlichen deutschen Städten gibt es die mannshohen Tauschzentralen inzwischen. Vor allem über das soziale Netzwerk Facebook wird die Idee weitergetragen. Eine Bauanleitung für die rund 200 Euro teure Verschenkkiste kann sich jeder im Internet herunterladen; Mitstreiter sind meist schnell gefunden. Als Silke Roggemann den Entschluss fasste, in Düsseldorf eine „Givebox“ ins Leben zu rufen, und dafür eine Seite bei Facebook einstellte, hatten sich nach nur drei Tagen schon 500 „Fans“ gefunden – darunter einige, die den Aufbau schließlich organisierten. Inzwischen stehen in Düsseldorf bereits vier „Giveboxen“.

Ein Zeichen setzen

Die Verschenkkästen sind nicht nur deshalb so beliebt, weil man sich kostenlos etwas daraus mitnehmen kann. Sie stehen vielmehr für eine Einstellung, die immer mehr Menschen teilen und die ein Zeichen setzt gegen die Wegwerfmentalität1 und das Streben nach Geld und unnötigem Profit2. Gleichzeitig sind die Tauschbuden zu einem sozialen Treffpunkt geworden: Menschen, die schon lange Tür an Tür wohnen, begegnen sich dort und unterhalten sich zum ersten Mal. Adam schreibt auf Facebook: „Ich wohne direkt neben der ‚Givebox‘. Seit sie existiert, ist die Laune der Menschen wesentlich besser geworden. Wer hier steht, hat immer ein Lächeln im Gesicht. Oft habe ich beim Stöbern schon interessante Menschen kennengelernt.“ Auch eine Pinnwand und ein Gästebuch gehören zum Inventar jedes Häuschens. So kann man sich mit anderen Tauschfreunden verständigen, Dinge anbieten, die für die Box zu groß sind, oder einfach nur „Danke“ sagen.

Zwei Regeln

Das Prinzip, dass hier jeder mitmachen kann, lässt bei vielen Menschen die „soziale Ader“3 schlagen. Für die Holzhäuschen sind alle Nutzer zuständig. Es gibt nur zwei Regeln: 1. Was keiner mitnimmt, muss nach zwei Wochen wieder abgeholt werden, damit die „Givebox“ nicht vermüllt4. 2. Was man mitnimmt, darf man nicht weiterverkaufen.

In Mainz ist die Idee von der Evangelischen Jugend und dem Stadtjugendpfarramt aufgegriffen worden. Bereits einen Monat nach dem Aufbau war die „Givebox“ schon gefüllt mit Büchern, Bildbänden, DVDs, Vasen und Kleidung.

„Umsonstläden“

Wer keine „Givebox“ in seiner Nähe findet, hat noch andere Möglichkeiten. In Deutschland gibt es über 60 „Umsonstläden“, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren. Jedoch haben sie feste Öffnungszeiten und ein Team von Helfern, das für Ordnung sorgt. Der Andrang ist enorm.

Der Nürnberger „Umsonstladen“ wird von einer Gruppe junger Christen, den „Jesus-Freaks“, getragen. Manche Nürnberger bringen ganze Umzugskartons voll ausrangierter Utensilien vorbei. Sogar Computer, eine Nähmaschine und ein Kühlschrank wechselten schon den Besitzer.

Simon Jahn

Gekürzt und leicht bearbeitet aus: „Idea Spektrum“ Nr. 28/2012, Seite 20/21. Mit freundlicher Genehmigung.