Aus Literatur und Kunst: Friedrich Dürrenmatt

Kurzbiographie

Friedrich Dürrenmatt

Friedrich Dürrenmatt gehört ebenso wie Hermann Hesse und Eduard Mörike in die Reihe der protestantischen Pfarrerssöhne, die es zur Schriftstellerei zieht. Am 5. Januar 1921 geboren, wächst er zusammen mit einer jüngeren Schwester in Kanolfingen auf, einem Dorf im schweizerischen Kanton Bern. Sein Vater erweckte Friedrichs Interesse für Geschichte, griechische Sagen und die Theologie. Die bibeltreue Frömmigkeit seiner Eltern lehnt Dürrenmatt später ab, aber religiöse Fragen beschäftigen ihn sein Leben lang. Er schildert sein Elternhaus so:

„Meine Eltern waren geistliche Pfarrersleute, sie wiesen niemanden ab und ließen mitessen, wer mitessen wollte. So die Kinder eines Zirkusunternehmens, welches das Dorf jährlich besuchte.“

Der 20-jährige Friedrich beginnt, in Bern Philosophie und Literatur zu studieren. Eigentlich will er Maler werden, aber einige Berufsmaler verkennen seine Begabung und raten ihm ab, diesen Weg weiterzuverfolgen. So widmet er sich dem Schreiben. Seiner Malleidenschaft bleibt Dürrenmatt aber sein Leben lang treu. Sein Sinn für das Bildhafte und Sinnliche kommt seinen Theaterstücken sehr zugute. Er beschäftigt sich mit Kierkegaard und den französischen Existentialisten. Gerade die Auseinandersetzung mit Satre und Camus bezeichnen die allgemeine Hoffnungslosigkeit nach dem 2. Weltkrieg.

Nach Abschluß des Studiums – erste Erzählungen sind bereits veröffentlicht – heiratet F. D. die Schauspielerin Lotti Geißler. Drei Kinder werden geboren, und die Dürrenmatts beziehen ein Haus am Rande von Neuchâtel. Um die Familie ernähren zu können, schreibt F. D. Auftragsarbeiten, Hörspiele und Kriminalromane. Die Geldsorgen hören erst mit dem großen Erfolg von „Der Besuch der alten Dame“ auf, 1957, zu einer Zeit, als Dürrenmatt längst bekannt und preisgekrönt war. 1983 stirbt seine Frau. Ein Jahr später heiratet F. D. abermals: die Journalistin Charlotte Kerr. Am 14. Dezember 1990 erliegt er im Alter von 69 Jahren den Folgen eines Herzinfarktes.

Zum Werk von F. Dürrenmatt

Lachen angesichts der Katastrophe, trotz des Chaos und der Sinnlosigkeit. So läßt sich die Wirkung der Werke Dürrenmatts beschreiben. Seine Komödien sind nicht bloße Komik. Die Texte wollen Unruhe stiften. Indem sie die Zustände übertreiben, ziehen sie der Welt die Maske vom Gesicht. Hinter dem grotesken Spiel auf der Bühne zeigt sich dem Zuschauer der wahre Charakter der Welt: Geldgier und Ohnmacht des Einzelnen.

F. D. hat ein gewaltiges Werk verfaßt mit 23 Dramen, zahlreichen Romanen, Erzählungen und Hörspielen sowie Reden. So vielfältig die Stoffe auch sind, die er bearbeitete – es gibt doch einige Grundthemen, die immer wieder auftauchen. Da ist einmal der Zweifel. Zweifel am Sinn des menschlichen Tuns. Kann der Einzelne etwas am Lauf der Welt ändern? Zweitens zeigt F. D. seinem Publikum die Welt als Labyrinth: Der Mensch ist eingeschlossen in einer Welt, die Chaos ist und die vom Zufall regiert wird. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Ungerechtigkeit ist auch heute noch aktuell. Besonders in den frühen Werken herrscht die totale Ausweglosigkeit: in „Weihnacht“ (1943) findet ein Wanderer das tote Christkind; die Erzählung „Der Tunnel“ (1952) endet hoffnungslos mit dem Rasen des Zuges durch einen vorher kaum beachteten Tunnel ins Erdinnere; in der Erzählung „Die Panne“ (1956) wird der harmlose Held des Mordes bezichtigt und erhängt sich.

In seinen späteren Werken entwickelt F. D. zunehmend Perspektiven für den Einzelnen: Der Mensch soll das Chaos nicht mehr hinnehmen, sondern die Welt ständig in Zweifel ziehen. In „Der Besuch der alten Dame“ (1956) wandelt sich ein schmieriger Vertuscher seiner Taten zum verantwortlichen Helden, der seine Schuld erkennt. Am Schluß muß er sterben, aber er hat seine Würde gewonnen. Die Verlassenheit der verantwortungsbewußten Menschen hat F. D. in seinem Erfolgsstück „Die Physiker“ (1961) thematisiert. Erzählt wird die Geschichte des Physikers Möbius, der in die Irrenanstalt geht, um den Mißbrauch seines Wissens zu verhindern. Doch die (tatsächlich wahnsinnige) Leiterin der Anstalt hat sich bereits seiner Formeln bemächtigt. Thema ist hier die unausweichliche Bedrohung durch die Kernphysik. Schließlich führt F. D. in „Der Meteor“ vor, daß er sogar am Zweifel zweifelt…

Dürrenmatt glaubt nur an die Macht der Vernunft. Seine Figuren sind sehr einsam. Sie leben nicht nur ohne Gott, sondern auch ohne Liebe zu anderen. Trotzdem lohnt es sich, seine Werke zu lesen. Vor allem, wenn man an Sprachwitz Freude hat. Zweifel an allen Sinndeutungen liegt ja auch dem Materialismus zugrunde. Anstatt das Gefühl der Sinnlosigkeit zuzudecken, kommt es bei Dürrenmatt wenigstens zur Sprache.

Daniel Ziegler